Neuer Ausschlussgrund im GWB: Unzulässige Interessenwahrnehmung – geänderte Formulare in Berlin

Quelle: cosinex Blog, URL: https://csx.de/eXYMZ

Dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wurde ein zusätzlicher Ausschlussgrund hinzugefügt. Er berücksichtigt einen neuen Straftatbestand der unzulässigen Interessenwahrnehmung durch Mandatsträger, der am 18. Juni in Kraft trat.

Hintergrund: Einflusshandel durch Mandatsträger

Mit dem Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung begegnet die Ampel-Koalition dem Problem des „Einflusshandels“ durch Mandatsträger, die ihre besondere Stellung, ihr Netzwerk oder ihren privilegierten Zugang zu Ministerien, Behörden und sonstigen Stellen entgeltlich missbrauchen.

Zwar sei die entgeltliche Vertretung von Interessen bereits nach geltendem Recht gemäß § 108e des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar, wenn sie „bei der Wahrnehmung des Mandats“ erfolgt. Nach der Rechtsprechung gehöre dazu jedoch nur „das Wirken … im Parlament, mithin im Plenum, in den Ausschüssen oder sonstigen parlamentarischen Gremien einschließlich der Fraktionen oder in mit Abgeordneten besetzten Kommissionen …“ (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Juli 2022 – StB 7-9/22, Randnummer 24).

Tätigkeiten außerhalb der parlamentarischen Arbeit wurden selbst dann nicht von § 108e StGB erfasst, wenn ein Mandatsträger dabei seine auf sein Mandat zurückgehenden Kontakte und Beziehungen ausnutzt.

Mit der Neuregelung hat der Gesetzgeber auch dieses strafwürdige Verhalten erfasst. Damit werde auch zur Erreichung des in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen festgelegten Nachhaltigkeitsziels der Bekämpfung von Korruption in allen Formen beigetragen.

Änderungen im Strafgesetzbuch und im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Das Gesetz schafft einen neuen Straftatbestand der unzulässigen Interessenwahrnehmung (§ 108f StGB), der den unzulässigen Einflusshandel durch Mandatsträger auch dann unter Strafe stellt, wenn dieser auf eine Interessenwahrnehmung außerhalb der Mandatswahrnehmung abzielt.

In Artikel 3 wird eine Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgenommen, dessen § 123 Zwingende Ausschlussgründe in Absatz 1 Nummer 7 nunmehr auf den neuen § 108f des Strafgesetzbuchs verweist. Neben der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern wird hier nun auch die unzulässige Interessenwahrnehmung als zwingender Ausschlussgrund aufgeführt.

Berlin: Neue Formulare im Vergabeservice

Der Vergabeservice Berlin hat die Änderung unlängst durch aktualisierte Formulare berücksichtigt:

  • Aktualisierte Fassung des Formulars Wirt-124 EU P – Erklärungen zu Ausschlussgründen und Angaben zum Unternehmen
  • Aktualisierte Fassung des Formulars Wirt-124 UVgO P – Erklärungen zu Ausschlussgründen und Angaben zum Unternehmen
  • Überarbeiteter Vermerk Unterschwellenvergabeordnung UVgO: Wirt -111.5
  • Überarbeiteter Vermerk Anforderung der Erklärung zu Ausschlussgründen und Angaben zum Unternehmen: Wirt – 124.2 UVgO

Auch wurde der Leitfaden Beschaffungsformulare UVgO angepasst.

Quellen und Links

15. Vergaberechtstag Brandenburg

Die Tagesordnung unseres 15. VRT steht fest:

08:00 Uhr           Einlassbeginn


09:00 Uhr           Ralph Bührig
Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam und Vorsitzender der Auftragsberatungsstelle Brandenburg e. V.

Begrüßung


09:15 Uhr           Prof. Dr. Martin Burgi
Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umwelt- und Sozialrecht, Ludwig-Maximilians-Universität München, Leiter der Forschungsstelle für Vergaberecht

Was bedeuten das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die künftige Sorgfaltspflichtenrichtlinie der EU für das Vergaberecht?
(inkl. 15-minütiger Diskussion)


10:15 Uhr           Kaffeepause mit Kuchen


10:45 Uhr           Prof. Dr. Susanne Mertens
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht, Fachanwältin für Informationstechnologierecht und Honorarprofessorin für Bau- und Vergaberecht an der Bergischen Universität Wuppertal

Aufhebung & Rückversetzung: Risiken und Nebenwirkungen bei Exit & Umwegen
(inkl. 15-minütiger Diskussion)


11:45 Uhr           Norbert Dippel
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht, Bonn

Vergabefremde Kriterien als Stolpersteine im Vergaberecht
(inkl. 15-minütiger Diskussion)


12:45 Uhr           Mittagspause mit Buffet


13:45 Uhr           Jörg Wiedemann
Richter am Oberlandesgericht, Naumburg (Saale)

Immer Ärger mit der Eignung!
(inkl. 15-minütiger Diskussion)


14:45 Uhr           Stephan Rechten
Rechtsanwalt, Partner bei ADVANT Beiten in Berlin

Vorsprung durch Wissen – die Teilnahme von Projektanten und Bestandsauftragnehmern an Vergabeverfahren
(inkl. 15-minütiger Diskussion)


15:45 Uhr           Kaffeepause mit Kuchen


16:15 Uhr           Eike-Heinrich Duhme
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht und Notar, Partner bei BDKD Rechtsanwälte in Berlin

Wer den Schaden hat … Schadensersatz und – vermeidung im Vergabeverfahren
(inkl. 15-minütiger Diskussion)


17:15 Uhr              Ende der Veranstaltung 


 

Neue EU-Schwellenwerte seit 01.01.2024

Die Schwellenwerte für EU-weite Vergabeverfahren wurden von der EU-Kommission überprüft und zum 01.01.2024 erhöht.

EU- Schwellenwerte in Euro:

Ab 01.01.2024 Bis 31.12.2023
Bauleistungen    5.538.000 5.382.000
Liefer- und Dienstleistungen – Öffentliche Auftraggeber    221.000    215.000
Konzessionen 5.538.000 5.382.000
Liefer- und Dienstleistungen – Obere und oberste Bundesbehörden        143.000    140.000
Liefer- und Dienstleistungen – Sektorenauftraggeber    443.000    431.000
Liefer- und Dienstleistungen –
Bereich Verteidigung und Sicherheit
   443.000    431.000
Soziale und andere besondere Dienstleistungen Öffentliche Auftraggeber      750.000 *      750.000 *
Soziale und andere besondere Dienstleistungen – Sektorenauftraggeber   1.000.000 *   1.000.000 *

* Eine Anpassung der Schwellenwerte für soziale und andere besondere Dienstleistungen (Anhänge XIV der Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU) erfolgt nicht. Sie betragen unverändert EUR 750.000 für öffentliche Auftraggeber und EUR 1.000.000 für Sektorenauftraggeber.

Die neuen Werte wurden im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gegeben (Verordnungen (EU) 2023/2495, 2023/2496, 2023/2497 und 2023/2510 vom 15.11.2023).

Die Überprüfung der EU-Schwellenwerte erfolgt auf Basis des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement – kurz GPA). Die Änderung alle zwei Jahre ist erforderlich, weil die Festlegung im GPA auf einer künstlich geschaffenen Währungseinheit beruht, den sogenannten Sonderziehungsrechten. Diese haben keinen festen Wechselkurs im Verhältnis zum Euro und werden entsprechend der Wechselkursschwankungen von der EU-Kommission im Zweijahresrhythmus neu berechnet.

Praxisrelevante Änderungen für kommunale Auftraggeber – befristet bis 31.12.2024

Durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Kommunalen Haushalts- und Kassenverordnung wurde § 30 KomHK – befristet bis zum 31.12.2024 – geändert.

Der Bauleistungen betreffende § 30 Abs. 2 KomHKV wurde ebenso wie der für den Liefer- und Dienstleistungsbereich geltende § 30 Abs. 3 KomHKV ergänzt.

Für kommunale Auftraggeber in Brandenburg wurden dadurch Erleichterungen für Vergaben im Zusammenhang mit der Einrichtung und dem Betrieb von Flüchtlingsunterkünften sowie ohne einen solchen Sachzusammenhang für Direktaufträge eingeräumt.


Flüchtlingsaufnahme

Hohe Praxisrelevanz dürfte haben, dass sich diese Erleichterungen im Kontext der Flüchtlingsaufnahme nicht nur auf die Einrichtung und den Betrieb von  Flüchtlingsunterkünften beschränken, sondern auch für die Einrichtung und den Betrieb der davon betroffenen sozialen Infrastruktur gelten. Explizit genannt dafür werden Schulen, Kitas, Horte und Jugendfreizeiteinrichtungen.

Beschränkte Ausschreibungen (ohne Teilnahmewettbewerb) sind demnach im Kontext der Flüchtlingsaufnahme zulässig bei der Vergabe

  • von Bauleistungen bis zu einem Auftragswert von EUR 2.000.000, – (netto)
  • von Liefer- und Dienstleistungen sogar bis zum Erreichen des EU-Schwellenwertes.
    Dieser beträgt bis zum 31.12.2023 EUR 215.000, – (netto) und wird voraussichtlich im November 2023 für den Zeitraum 01.01.2024 bis 31.12.2025 festgelegt.

Direktauftrag gemäß § 14 UVgO

Eine wichtige Erleichterung bei der kommunalen Auftragsvergabe dürfte die Regelung für alle Vergaben im Liefer- und Dienstleistungsbereich sein. Denn der Auftragswert für Direktaufträge gemäß § 14 UVgO wurde von EUR 1.000, – (netto) auf EUR 3.000, – (netto) erhöht.

Dabei ist kein Kontext mit den vorstehenden Regelungen zu Flüchtlingsaufnahmen erforderlich, wie eine Nachfrage bei der Landesverwaltung bestätigt hat. (In diesem Zusammenhang ein herzliches Dankeschön in die schöne Prignitz).

Insofern können kommunale Vergabestellen bis zum 31.12.2024 alle Liefer- und Dienstleistungsaufträge bis zu einem Wert von EUR 3.000, – (netto) gemäß § 30 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KomHKV i.V.m. § 14 UvgO vergeben.

Wir empfehlen Ihnen, dies entsprechend zu dokumentieren.


§ 30 KomHKV in seiner aktuell geltenden Fassung finden Sie hier.

Die Sechste Verordnung zur Änderung der Kommunalen Haushalts- und Kassenverordnung finden Sie hier.