Ausschreibungsbezogene Bekanntmachungen müssen Privaten auf Anfrage übermittelt werden (“Inlocon”-Fälle)

Mit einem aktuellen Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht  (Urt. vom 14.04.2016 – Az.: 7 C 12.14) eine seit geraumer Zeit umstrittene Rechtslage geklärt. Damit dürfte das zur Problematik erlassene Schreiben des MWE vom 19.05.2015 obsolet sein.

Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt ein Internetportal, auf dem sie Informationen über öffentliche Aufträge bekannt macht.  An die beklagte Gemeinde richtete sie  – unter Bezugnahme auf das „Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG)“ – das Begehren, ausschreibungsbezogene Bekanntmachungen zu übermitteln, was die Gemeinde indes ablehnte. Die Vorinstanz, der VGH Baden-Württemberg, hatte der Gemeinde im Berufungsverfahren Recht gegeben und einen Auskunftsanspruch nicht anerkannt.

Beschluss:

Das Bundesverwaltungsgericht sieht die Rechtslage anders und gibt der Klägerin Recht! Die Gemeinde müsse ausschreibungsbezogene Bekanntmachungen gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 IWG unverzüglich nach Veröffentlichung im vorgesehenen Publikationsorgan auch der Klägerin zur Verfügung stellen. Insoweit müsse der jeweilige Zeitpunkt der Veröffentlichung verlässlich ermittelt werden. Ein Recht auf voraussetzungslosen Zugang zu Informationen gem. § 1 Abs. 2a IWG sieht das Gericht allerdings nicht. Vielmehr richte sich der Anspruch der Klägerin auf solche Informationen, die eine öffentliche Stelle von sich aus veröffentlicht und damit allgemein zugänglich gemacht habe. Seit der Novellierung des IWG solle sich das IWG auch auf Informationen erstrecken, die von Behörden proaktiv veröffentlicht werden.

Praxistipp:

Die bislang umstrittene Rechtslage hinsichtlich der Auskunftsersuchen privater Anbieter wurde nun vom Bundesverwaltungsgericht geklärt. Öffentliche Auftraggeber müssen Informationen zu Ausschreibungen, die sie bereits an anderer Stelle, d.h. im „offiziellen“ Veröffentlichungsorgan, bekannt gemacht haben, auf Anfrage auch Privaten zur Verfügung stellen, und zwar gem. § 3 Abs. 2 S. 1 IWG „in allen angefragten Formaten und Sprachen, in denen sie bei der öffentlichen Stelle vorliegen“. Allerdings sind von der Auskunftspflicht ausschließlich solche Informationen erfasst sind, die auch tatsächlich bekannt gegeben wurden. Demnach bestünde etwa kein Anspruch Privater auf Mitteilung der Verfahrensergebnisse einer öffentlichen Ausschreibung nach nationalem Recht, weil die vergabestelle hier schon nicht zur Bekanntmachung in einem offiziellen Veröffentlichungsorgan verpflichtet ist.

Das Urteil können Sie unter hier abrufen.